Und wo war es am Schönsten?
Dies werden wir schnell gefragt, wenn wir von unserer Reise erzählen – drei Monate in Australien, Neuseeland und Chile. Vor einem Jahr hieß die Frage noch: „Ihr wollt nach Patagonien zum Zelten – und wo lasst ihr die Kinder in dieser Zeit?“. Ein Erfahrungsbericht.
2001 – ein Jahr nach den Olympischen Spielen in Sydney und wir haben drei Wochen für 3500 km Outback! Es macht Spaß. Die Landschaft ist faszinierend. Aber eigentlich braucht man mehr Zeit. Drei Wochen sind einfach zu wenig, um dieses weite Land kennenzulernen. Und es gibt ja auch noch so viele andere Ecken auf dieser Welt. Zwei Entscheidungen haben wir damals in Australien getroffen: Wir wollen nach 12 Jahren „wilder Ehe“ nun doch noch heiraten und wir wollen wiederkommen nach Australien und mehr Zeit haben.
Elternzeit – bekommt ihr noch ein Kind? Nein, einen Teil der Elternzeit kann auf die Zeit bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes übertragen werden. Der Arbeitgeber von Ingram staunt auch, unterstützt dann aber die Auszeit. Yvonne hat Glück, der öffentliche Dienst hat für solche „Fälle“ das Sabbatical (eine Form der Teilzeitarbeit mit Freistellungsphase) erfunden. Vier Jahre für 80% Gehalt arbeiten und dafür im 5. Jahr mit 80% Gehalt freihaben – klingt super! Die geplanten vier Jahre Ansparzeit strecken sich mit der Standard-Elternzeit auf mehr als sieben Jahre – dafür sind wir inzwischen zu viert, haben aber unser Ziel nicht aufgegeben. Nur die Frage nach der Durchführung wird neu gestellt. Geht es mit zwei kleinen Kindern? Was geht? Wie? Wie lange? Wohin? Eines ist klar, es soll möglichst vor der Einschulung sein. Wir lesen Reiseberichte, surfen Nächte lang durch das Internet und buchen endlich unser Round-The-World-Ticket und alle Mietwagen. Es gibt eine grobe Planung der Reiseroute – alles Weitere wird erst vor Ort entschieden.
Letizia – unsere Kleinste – will alles, nur nicht klein sein. Sie wird 14 Tage vor dem Start unserer Reise 3 Jahre alt und eifert in allem ihrer großen Schwester nach. Xenia ist 5, liebt Bibi Blocksberg und freut sich besonders auf die Pinguine in Chile, da sie im Kindergarten in der Pinguingruppe ist. Letizia ist übrigens in der Schäfchengruppe. Da es davon in Neuseeland viele gibt, hat jeder schon sein Lieblingsreiseziel gefunden. Eigentlich wollen wir in Patagonien und auch sonst mal wandern gehen. Wird das mit unseren bisher eher nicht so wanderbegeisterten Kindern funktionieren? Sollen wir den Tragerucksack mitnehmen? „Kinder laufen ihr Alter in Tageskilometern“, meint Opa – na prima! Drei Kilometer am Tag ist ja nicht toll! Es ist Oktober. Es nieselt und es ist knapp 10°C kalt – so stelle ich mir Patagonien vor. Also raus in den Herbstwald, Gummistiefel, Regenjacke und eine Tüte zum Pilze- und Laubsammeln. Für die Runde um den Tonsee (etwa ein Kilometer) brauchen wir eine Stunde und haben noch alle gute Laune. Das lässt hoffen!
Ein Jahr vor der Abreise möchte Xenia „Urlaubspiekser-Ärztin“ werden und das Robert-Koch-Institut wird zum „Urlaubspiekser-Laden“ erklärt. Nach jeder Impfung ohne große Tränen gibt`s Schoko-Cookies, Kakao und einmal Klettern im Globetrotter-Spieleland. Schon praktisch, dass das Robert-Koch-Institut für Tropenmedizin eine Anlaufstelle in der Globetrotter-Filiale in Berlin hat. So können Ausrüstung schmökern und Impfen (Gelbfieber, Typhus, Tollwut, Hepatitis …) zeitoptimiert kombiniert werden.
Ab wie viel Kilo Medikamenten im Gepäck bekommt man eigentlich in Südamerika Ärger? Wir haben vorsichtshalber eine Übersichtsliste, Übersetzungen und Arztbescheinigungen dabei. Am Ende sind es zwei Kilo und gebraucht haben wir nur den Hustensaft – welch ein Glück!
Der Start
Es wird Zeit, dass wir endlich abfahren!! Yvonne ist bereits seit 14 Tagen zu Hause und packt Taschen mit Klamotten ein und – wegen zu viel und zu schwer – wieder aus. Eine Woche vor der Abreise haben wir die Kinder aus dem Kindergarten genommen. Dort drohte die Schweinegrippe auszubrechen. Yvonne wäscht immer wieder die „letzte Maschine“, besorgt die letzten Dinge und die Weihnachtsgeschenke für die Kids (je eine Digicam). Mittagessen gibt´s bei MC Donalds, denn Küchenschluss war nach dem Frühstück.
Mist, Schei… und ähnliche Worte fallen, als alle Gepäckstücke zum dritten Mal gewogen werden und alles 8 kg über der Grenze von 80 kg (Ticketvorgabe) liegt – der Tragerucksack retour geht und verschiedene andere Kleinigkeiten aus den Rucksäcken fliegen. 15:30 Uhr endlich bringt uns unser Nachbar zum Flughafen. Für unsere sieben großen Rücksäcke, Taschen und Zelt sowie 4 x Handgepäck reichen später in Chile gerade so zwei Taxen.
Perth – Westaustralien: Weihnachten in der Hitze
Nach 27 Stunden Reisezeit heißt es: Welcome to Perth! Die Stadt ist weihnachtlich geschmückt, bei 32 Grad Celsius im Schatten fehlt jedoch der Schnee und der Sommer hat uns wieder. Obwohl in Australien der Nikolaus nicht bekannt ist, kam er bei uns trotzdem vorbei und steckte Pfirsiche und frische Erdbeeren in die aufwendig gesäuberten Badelatschen.
Wir haben uns ein super Luxus-Ferienhaus in einem Campingpark gemietet. Nach all dem Stress der letzten Wochen beginnt endlich der Urlaub. Der Pool ist gleich nebenan und während in Deutschland langsam der Winter beginnt, genießen wir die lauen Sommernächte unter dem Kreuz des Südens und einer exotischen Geräuschkulisse. Zelten in Australien bei all den giftigen Tieren war uns mit den Kindern nix – dafür laufen sie nun barfuß durch das Gras und entdecken baguettegroße Echsen mit blauer Zunge.
Die Schwerpunkte unserer Reise haben wir inzwischen mit Neuseeland und Patagonien festgelegt. Das liegt – neben den giftigen Tieren – daran, dass man diese Ziele der südlichen Hemisphäre in unseren Sommerferien (an die sind wir dann eine Ewigkeit gebunden) auf Grund des Winters nur eingeschränkt bereisen kann. Uns bleiben für Perth und Umgebung 8 Tage. Diese vergehen wie im Flug. Wir sehen Kängurus und Koalabären, setzen zur Radtour auf Rottnest Island über und besuchen die 300 km nördlich von Perth liegende Pinnacle Desert: eine kleine Wüstenlandschaft mit beeindruckenden Fotomotiven, in der man super Verstecken spielen kann.
Neuseeland: Im Land der Kiwis
Das Land der Kiwis: Hier kann man Kiwi essen, auf Nachtwanderungen Kiwis suchen, die mit ihrem langen Schnabel im lockeren Laubwaldboden nach Würmern stochern, und auch sonst trifft man viele Kiwis, wie die Einwohner von Neuseeland sich selber gern nennen.
Von Autovermietung bis Zeltplatz, Neuseeland ist touristisch super erschlossen. Obwohl das Wetter durchwachsen ist, übernachten wir fast ausschließlich in unserem mitgebrachten Zelt. Die Campingplätze bieten jede Menge Annehmlichkeiten: Gut ausgestattete Küchen, in denen man auch abends noch am Tisch lesen, spielen oder Tagebuch schreiben kann. Alle Plätze haben Spielplätze, meist mit Trampolin oder Hüpfkissen, Klettergerüst, Sandkasten und oft auch Pool. Waschmaschinen und Trockner sowie Barbecue oder Interneteinrichtungen sind vorhanden. Zur Kostenoptimierung haben wir einen 8-Sitzer-Van und kein Wohnmobil gemietet und haben dies nicht bereut. Der Van ist viel preiswerter, flexibler und agiler beim Fahren. Dafür haben wir im Schnitt alle zwei Tage das Zelt aufgebaut und hatten kein Indoorbad.
Great Walks – hier haben die Reiseführer mal wieder Recht, man muss in der Hauptsaison vorher reservieren. Für den berühmten Milford Track gibt es das nächste Permit für März (wir haben Anfang Januar). Insgesamt wird es ab dem 25.12. ziemlich voll, da alle Kiwis nun Urlaub machen. Wir wandern auf dem traumhaft schönen Abel Tasman Track im Norden der Südinsel. Er bietet via Wassertaxi die Möglichkeit, jederzeit Tagesabschnitte zu wandern, so dass man kein Permit für eine Übernachtung auf dem Track benötigt. Der Track bietet immer wieder Blicke mit Südseecharakter und Abstecher zu malerischen Buchten. Nur allein ist man nicht wirklich.
„Die richtige Motivation vorausgesetzt (Lieder singen, eine Geschichte pro km vorlesen und ausreichend Badepausen) wandert Letizia 10 km, bis sie auf die Schulter muss, und Xenia schafft eine volle 12 km Tour.“
Abwechslung bieten auch Abschnitte, bei denen man unter Beachtung der Gezeiten Meeresarme durchwandern muss oder eine der für Neuseeland typischen Hängebrücken passiert.
Direkt neben der Straße wechselt die Natur schnell. Gletscher, Geysire, Hochgebirge und irgendwie ist man immer wieder schnell am Meer um Seelöwen, Pinguine oder Wale und Delfine zu beobachten. Natürlich stand der Besuch einer Schaffarm genau so auf dem Programm wie ein Maori-Abend – beides war ziemlich touristisch, aber vermittelt doch authentischer, was man sonst im Reiseführer lesen kann. Erwähnenswert ist auch noch das Nationalmuseum Te Pape in Wellington. Dort kann man sich kostenlos ganze Tage aufhalten und jede Menge interaktive Angebote besonders für Kinder wahrnehmen.
Chile und Argentinien: Rauhes Patagonien
Hier ist es schon etwas rauer. Wind mit 80 km/h ist etwas ganz normales und auch die Schneefallgrenze nähert sich sichtbar dem Zelt – wir schlafen nun doch meist in einfachen Hostals oder schön gelegenen Holzhütten.
Der Anblick eines Gebirgsmassives wie Torres del Paine oder Fitz Roy sind eben etwas ganz besonderes. Schon dafür lohnt sich eine Reise. Am Fitz Roy hat uns eine Rangerin besonders dringlich darauf hingewiesen, dass die Kinder genau in das Beuteschema der dort beheimateten Pumas passen – also immer schön nah bei Mama oder Papa bleiben. Wir haben keinen Puma gesehen, aber vor lauter Geräuschen im Vorzelt wenig geschlafen.
Ein faszinierendes Erlebnis für uns alle war die 60 m hohe Abbruchkante des Perito Moreno Gletschers. Man steht bei 5° C zwei Stunden im eisigen Wind und wartet, dass etwas abbricht. Wenn dann hausgroße Stücke krachend abbrechen und mit Getöse ins Wasser stürzen, ist das echt beeindruckend.
Es geht Stunden lang über Schotterpisten durch die Pampa – am Straßenrand sind jede Menge Guanakos, Nandus, Flamingos und Füchse zu sehen. Wir besuchen eine der Pinguinkolonien, setzen über die Magalanstraße nach Feuerland über (hier sehen wir jedes Mal viele Delfine) und fahren bis zum Beagel-Kanal. Die Antarktis ist schon zum Greifen nahe und hier gleich vor den Toren der südlichsten Stadt der Welt gibt es einen Nationalpark mit vielen urigen familientauglichen Wanderwegen – das hatten wir so nicht erwartet und haben nun zu wenig Zeit alles zu erkunden.
Etwas nervig sind die öfter notwendigen Grenzübertritte zwischen Chile und Argentinien. Zwei Stunden anstehen ist normal und jede Menge Papierkram – insbesondere für den Mietwagen (letzterer ist in Patagonien bzw. Chile allgemein viermal teurer als in Neuseeland). Ach so – Lebensmittel wie Obst, Käse, Milch und Brot dürfen natürlich nicht passieren. Auch wenn es beidseitig der Grenze die gleichen italienischen Äpfel zu kaufen gibt. Wir richten die Mahlzeiten also nach den Grenzübertritten und loben die Erfindung des Schengen Abkommens in Europa.
Wir genießen die letzten Tage zwischen azurblauen Seen und aktiven Vulkanen noch ein wenig zum Ausspannen und zum Kartenschreiben. Morgens: Pool/See; mittags: Spießbraten vom Lamm; abends: Rotwein vor dem Kamin. Wir sind mal wieder zur Hauptreisezeit (Anfang Februar) in einem der beliebtesten Urlaubsgebiete von Südamerika angekommen. An manchen Bergseen geht es zu wie am Ballermann auf Mallorca. Das Finden einer passenden Unterkunft gestaltet sich manches Mal etwas schwierig und es rächt sich, dass wir so gut wie kein Wort Spanisch können. Da die Menschen aber zumeist super nett sind und man mit Kindern einige Bonuspunkte in Südamerika gut hat, können wir ganze Ferienhäuser auch mit „Händen und Füßen“ mieten.
Auf der Wanderung durch den Huerquehue Nationalpark schimpft Xenia wie ein Rohrspatz über die Anstrengungen (600 Höhenmeter hoch und wieder runter) und zählt dabei alle Wanderungen auf, die wir ihr in diesem Urlaub schon angetan haben – sie weiß noch alle! Fünf Tage vor dem verheerenden Erdbeben verlassen wir das spätere Epizentrum, fahren nach Santiago de Chile und fliegen nach Hause. Dort wo es gerade noch so schön war, herrscht nun eine gewaltige Zerstörung und Chaos. In diese Betrübnis mischt sich die Erkenntnis des großen Glückes, einen solch guten Schutzengel gehabt zu haben.
Fazit: Und wo war es nun am Schönsten?
Am Schönsten war die Zeit! Das täglich Neue, das Spannende, die vielen kleinen Erlebnisse und Augenblicke machen die Reise als Ganzes aus. Die traumhafte Natur in Patagonien und deren Vielfalt in Neuseeland, das „Immer-an-der-frischen-Luftsein“ und die gegenseitige intensive Wahrnehmung innerhalb der Familie sind unvergesslich. Nur zu kurz war es! Wir hätten gern noch ein paar Wochen so weiter gemacht. Aber es gibt ja noch einen nächsten Urlaub und auch zu Hause anzukommen ist schön.
Nur Mut
Dieser Reisebericht soll dem ganz normalen Durchschnitts-Outdoorer Mut machen, auch mit relativ kleinen Kindern seine Traumreisen nicht auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben. Es macht Spaß und ist einfacher als man denkt! Oder um es mit Mark Twain zu sagen:
„In zwanzig Jahren wirst Du mehr enttäuscht sein über die Dinge die Du nicht getan hast, als über die Dinge, die Du getan hast. Also wirf die Leinen los. Verlasse den sicheren Hafen. Lass den Passatwind in Deine Segel wehen. Erforsche. Träume. Entdecke.“
Autoren: Familie T.